Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Das Wildkatzen-Erlebniszentrum im Harz
18.05.2023
Heute feiern einige Christi Himmelfahrt, andere begehen den Vatertag und ich keines von beiden. Wir haben uns tags
zuvor zwei Enkelkinder ins Haus geholt und werden ein drittes treffen. Damit die drei genug Raum zum Austoben
bekommen, statt meine Nerven zu strapazieren, steht ein Besuch bei den Wildkatzen von Bad Harzburg auf dem
Programm. Da wollte ich ohnehin einmal hin, warum also nicht heute. Die Sonne lockt, der Nachwuchs bockt und Opa
rockt. Die Fahrt führt entlang gelber Rapsfelder auf die Piste und dort Richtung Torfhaus. Nur einen Katzensprung
entfernt, auf ca. 700 Höhenmetern, befindet sich das Wildkatzen-Erlebniszentrum. Wo vor wenigen Jahren noch hohe
Fichten die Straßen säumten und den Blick in die Ferne versperrten, schaut man heute auf eine kahle Bergkuppe und
jede Menge Baumstümpfe. Aus einer kleinen Senke lockt die Marienteichbaude und dahinter, einem Kastell ähnlich, eine
Holzkonstruktion – das Heim der Wildkatzen. Ziel erreicht, aussteigen!
Das erste, was drei unausgelastete Kids in Beschlag nehmen, ist der Spielplatz mit Klettergerüst, einer Rutsche und
Schaukel. Wir sind zu zeitig hier, also entferne ich mich vom Kinderlärm, suche die Stille der Natur bei einem kleinen
Spaziergang zwischen grauen Baumresten und jungen frischen Bäumen. Bald schon wird es hier wieder grünen, die
Natur erobert sich ihr Terrain zurück. Der Blick rüber zum Brocken bestätigt meine Ahnung. Man muss nur sehen und
entdecken wollen.
Pünktlich 11.00 Uhr betrete ich als erster Besucher die Anlage und werde vom Hauskater HUGO, der es sich beim
Ticketverkauf bequem gemacht hat, empfangen. Der Kater bekommt Streicheleinheiten, die Männer ein „lecker
Fläschchen“ und zahlen zudem heute nur den halben Preis – Männertagsbonus! Wer hätte das gedacht? HUGO darf hier
frei spazieren gehen, wird im August 19 Jahre alt und erweist sich als Kuschelkater und Begleiter durch das Gehege. Er
scheint seine Stellung sehr genau zu kennen und genießt deren Vorzüge sowie die Betreuung durch sein Personal. Sein
Heim ist ein Katzenparadies und das möchte ich heute erkunden.
Zunächst besteige ich das hölzerne Kastell, in dessen Innern man sich über das Leben der Wildkatzen informieren kann.
Über offene Treppen geht es hinauf zur Plattform, die aus einem Rundweg auf dem Dach besteht. Von hier aus kann ich
das ganze Areal überblicken. Darüber hinaus den Brocken sehen und, direkt unter dem Rundweg, die Gehege der
Wildkatzen sowie deren Bewohner beobachten. Von oben brennt die Sonne, ein frischer Wind weht vom Brocken her,
während stolzen Wildtiere am Zaun entlang schleichen. Sie hoffen sicher auf einen Happen. Doch hier ist Füttern
verboten, aber es gibt feste Zeiten, wo man die scheuen Tiere beim Mittagsmahl bewundern darf. Darauf möchte ich
warten.
Unter normalen Umständen bekommt man eine wild lebende Katze nicht zu Gesicht. Sie ist leise, sehr scheu und führt
ein heimliches Leben mit Samtpfoten auf Lichtungen und im Wald. Sie durchstreift ihr Revier auf der Suche nach
Mäusen, ihrer Lieblingsspeise. Ihr braunes Fell mit dunklen Streifen sorgt zudem für die perfekte Tarnung. Selbst hier im
Erlebnispark vom NABU sind die Katzen nur schwer zu entdecken, wenn sie sich ins Unterholz verziehen. Zu unserem
Glück wissen die Wildkatzen hier im Gehege, dass sie nicht jagen müssen, sondern gefüttert werden. Dann kommen sie
zum Zaun und ich bin ihnen, nur vom Maschendraht getrennt, sehr nahe. Das ist meine Chance und die anderer Gäste.
Fritzi und Clarence, die beiden quasi Geschwister, leben in einem Doppelgehege. Eine Öffnung erlaubt es ihnen, den
Maschendrahtzaun geschmeidig zu durchschreiten, sich zu begegnen und doch Abstand zu halten. Wildkatzen sind
nämlich Einzelgänger, doch die zwei respektieren sich. Als der Betreuer das „Doppelzimmer“ betritt, merkt man den
beiden die Anspannung an. Sie fixieren die Beute, ein kleines gelbes Etwas in der Hand, und holen es sich dennoch,
nacheinander, ohne Streit und ohne die Krallen auszufahren. Das ist faszinierend. Sowohl Fritzi, als auch Clarence, die
Schielende, verschwinden wie ein Blitz im Gebüsch, um zu speisen und holen sich danach die zweite und auch dritte
Portion ab. Es ist ein Zauber, die beiden Katzen so nah zu erleben und zu wissen, dass sie wild, nicht zahm, sind.
Karlo nebenan ist anders, auch wild und außerdem gierig. Er kann es kaum erwarten, seinen Happen zugesteckt oder
über den Zaun geworfen zu bekommen. Er richtet sich auf, steht auf den Hinterläufen am Zaun und würde da am
liebsten hindurch, statt lange zu warten. Ein frecher kleiner Fressfried, der seiner Beute wie der Blitz hinterher rennt,
wenn sie über den Zaun geworfen wird. Es dauert nur ein paar Sekunden, dann lauert der Kater schon wieder auf den
nächsten Happen.
Als letzter ist Heini an der Reihe. Der bekommt seine erste Portion auf eine mannshohe Plattform im Gehege gelegt. Mit
einem geschmeidigen Sprung sitzt er dort oben und packt sein „Opfer“. Ihm beim Verzehr aus der Nähe zu beobachten
hat etwas Magisches, etwas von faszinierender Schönheit, der man sich kaum entziehen kann. Den zweiten Happen
verdrückt er im Schutze eines Baumstumpfes im Gras, ehe er sich nahe am Zaun in seiner ganzen wilden graziösen
Pracht zur Schau stellt. Man kann sich nur schwer von diesem Anblick losreißen und letztlich trifft Heini die
Entscheidung, sich wieder in Richtung Unterholz zurückzuziehen.
Bei einem Picknick im Wildkatzenreich lassen wir das Erlebte sacken und genießen es, an diesem sehr besonderen Platz
im Erlebniszentrum der Wildkatzen zu sein. Die drei Enkelgören waren längst wieder beim Toben, als wir am frühen
Nachmittag die Rückreise antreten. Wildkatzen im Harz – ein wirklich schönes Erlebnis für Kinder und Erwachsene. Man
entwickelt ein Gefühl dafür, wie fragil das Leben in freier Natur sein mag und das wir dieses wilde Leben durch unseren
behutsamen Umgang schützen und bewahren sollten. Für uns, unsere Enkel und spätere Generationen, die sich auch
daran erfreuen sollen.